Meine Abrechnung mit Ubuntu

Im folgendem Beitrag soll es um meine ganz persönliche Abrechnung mit der Distribution Ubuntu (Version 22.10) gehen. Ob ich bei meiner Kritik ein Einzelschicksal bin und dafür nun Zuspruch erhalte oder nicht ist für mich zweitrangig. Einzig und allein um meiner bekümmerten Seele ein wenig Trost zu schenken, möchte ich diesen Blog-Beitrag als Schreibtherapie nutzen.

Beim Durchblättern meines Blogs fällt auf, dass eine Menge meiner Beiträge auf Ubuntu als Betriebssystem-Grundlage basieren. So sollte man meinen, das ich dadurch einer anderen Spezies als denen der sogenannten Distro-Hopper angehöre und mich glücklich und zufrieden auf einer knallorangenen Welle der Euphorie durch die Releases der Tiernamen hangele (Grüße gehen raus an die Wallpaper von ‚Disco Dingo‘).
Auch laut Distrowatch scheint die Begeisterung dieses Debian-Abkömmlings ungeschlagen, ist sie in der Anzahl durchgeführter Downloads doch ungebrochen in den Top 10 vertreten.
Wer bereits Berührungen mit dem Thema Linux hatte, wird ohnehin zwangsläufig schonmal über den Namen ‚Ubuntu‘ gestolpert sein, sei es durch die dominante Präsenz auf Linux-bezogenen Seiten, durch eine Linux-OS Empfehlung für Neueinsteiger oder durch Blog-Artikel wie die meinen.
Wieso sollte die Wahl auch schlecht sein, trägt diese Distribution doch das Siegel einer Anfängerfreundlichen-Distribution. Außerdem hat sie mittlerweile knappe 19 Jahre (Stand 2023) auf dem Buckel. Da sollte die grobe Fahrtrichtung doch längst ersonnen, sowie die meisten Kinderkrankheiten ausgemerzt und einer nahezu perfekten Nutzererfahrung gewichen sein.
Aber ist das auch tatsächlich der Fall?

Ubuntu kommt offiziell und inoffiziell mit jeder Menge unterschiedlicher Desktop Varianten daher. XFCE, KDE, Budgie, LXDE, Cinnamon und noch unzählige mehr. Standardmäßig wird jedoch eine GNOME-Umgebung installiert und der Einfachheit halber (und sich diese bei mir in Benutzung befindet) beziehe ich mich auf genau diese Variation.
Den Desktop als solches möchte ich hier gar nicht erst großartig unter die Lupe nehmen, das ist ohnehin Geschmackssache. Mir geht es einzig und allein um die Funktionalität und wie zuverlässig sich mit ihr arbeiten lässt.
All die Punkte, die mir am schwersten auf dem Herzen liegen, habe ich in den folgenden 3 Oberpunkten zusammengefasst:

Der Snap-Store

Der Snap-Store ist ein Paketverwaltungs-Tool, welches durch das Konzept von closed source einzig und allein in den Händen von Canonical liegt. Das allein klingt schon bitter und trotzt dem Grundgedanken von freier Software. Würde dieses Tool nun lediglich sein einsames Dasein neben dem altbewährten APT fristen, wäre der Schaden begrenzt. Dabei klingt dessen Konzept zunächst recht vielversprechend. Snaps, also die Software, die durch den Snap-Store installiert werden, laufen nach der Installation in einer eigenen abgeschotteten Umgebung (ähnlich wie es bei dem Konzept von Containern der Fall ist) und bringen nach der Installation sämtliche notwendigen Abhängigkeiten mit. Somit muss Canonical nicht mehr sicherstellen, dass es zu Kompatibilitäts- und Abhängigkeitskonflikten innerhalb der Paketumgebung kommt.
Diese entkoppelte Umgebung der Snaps hat jedoch auch ihren Preis. Die fehlende Systemintegration macht sich gerne mal für den Anwender in Form von Grafik-Glitches, fehlender Hardware-Unterstützung oder längeren Ladezeiten bemerkbar.
So ist es mir unmöglich mit eingeschalteter fraktioneller Skalierung (und 2K Auflösung) beispielsweise ein Gimp zu benutzen, da die Symbole innerhalb der Anwendung mikroskopisch winzig dahin schrumpfen.

‚Anwendungen anzeigen‘ oder wie der Optiker es nennen würde: Ein Sehtest.

Weitere Probleme in der Anwendung ergeben sich beispielsweise auch mit dem Videoschnitt-Programm Shotcut. Drag&Drop von Videomaterial in die Zeitleiste lässt die Anwendung regelmäßig kommentarlos abstürzen.
Natürlich ließe sich mit Sicherheit eine Lösung für derartige Probleme finden, aber für eine Distribution, die sich als einsteigerfreundlich tituliert darf sowas nicht passieren und sollte von Haus aus funktionieren!
Darüber hinaus hat man es sich bei Canonical scheinbar zur Aufgabe gemacht, mit einer beispiellosen Dreistigkeit seine eigene Lösung im Markt zu etablieren. Soll z.B. ein Firefox-Browser installiert werden, so schauen all jene, die den Weg über den Snap-Store vermeiden wollen in die Röhre, da die APT Variante schlicht und ergreifend gar nicht mehr angeboten wird. Lediglich durch Umwege lässt sich die APT Variante installieren, dazu habe ich ein Video gemacht.

Kaputte Abhängigkeiten vereinzelter Pakete

Es mag nur sehr vereinzelt vorkommen, jedoch sind die Kompatibilitäten zwischen den von Canonical angebotenen Paketen zwar grundsolide jedoch nicht zu 100% sichergestellt. Einem persönlichem Beispiel zufolge aus jüngerer Vergangenheit wollte mir die Java Version eines Tages einen Strich durch die Rechnung machen, was die Nutzung eines davon abhängigen Tools unmöglich machte. Recherchen meinerseits ergaben, dass ein Patch für den Ubuntu Vater Debian bereits im Umlauf war, für Ubuntu selber wiederum (noch) nicht und im damaligen Release auch nicht mehr gekommen wäre. Um sich in dieser Situation zu behelfen, kam man nicht umhin, selbst an einigen Dateien Hand anzulegen. Die Weiterreichung von Patches vom Ursprung bis hin zu den Derivaten scheint ein Fluch zu sein, den sich wohl mehrere Distributionen teilen.
Aber immerhin: Habe ich eben noch über die Implementation von Snap gemeckert, ließe sich genau diesem Beispien zumindest ein wenig Nutzen daraus ziehen.
Und dennoch: Auf einer einsteigerfreundlichen Distribution darf sowas grundsätzlich nicht passieren!

Fehler und Bugs des Ubuntu GNOME-UIs

GNOME ist keine eigene Kreation von Canonical. In der Funktionalität und der Erscheinung wurde es jedoch spürbar angepasst.

So lässt sich wie gewohnt der sogenannte ‚Dark Mode‘ einschalten, der die Programmfenster für alle Bildschirm-Vampire dunkel gestaltet. Eine nützliche Funktion, auch wenn die aktuelle prominente Platzierung des Kippschalters in der oberen rechten Ecke neben dem Ein- und Ausschalter etwas deplatziert wirkt (Stand: Release Version 22.10). Jedoch bleibt mir der aktivierte Dark-Mode in aller Regel nicht lange erhalten und wird betriebssystemseitig gerne immer mal wieder deaktiviert. Nervig, wenn man mit ständigen Mausklicks dagegen ankämpfen muss!

Wie hier schön zu sehen ist; wiedermal hat die Helle Ansicht über die Dunkle obsiegt. Der ewige Kampf, hell gegen dunkel.

Mein nächster schwierige Kandidat ist der Dateimanager ‚Nautilus‘. Eigentlich bin ich ja ein Fan dessen Optik mit den abgerundeten Ecken und dem Yaru-Thema. Doch macht auch hier die Optik nicht fehlende oder fehlerhafte Funktionen wett. Möchte man auf Dateien zugreifen die auf einem Netzwerk-Share liegen und über das Samba-Protokoll eingebunden sind, gelingt dies entweder (manchmal) gar nicht oder sollte der Dateimanager doch so gnädig sein und uns die gewünschte Datei öffnen, erleben wir spätestens bei der Speicherung unser blaues Wunder. So wurde mir bereits einige Male meine Keepass Datenbank kaputt-gespeichert und unbrauchbar gemacht.

Auch die sonstige Bedienung des Desktops hat ihre Tücken. War es standardmäßig lange Zeit nicht möglich, Dateien direkt auf den Desktop zu ziehen, so ist dieser Umstand tatsächlich endlich mal geändert worden. Jedoch fehlen nach wie vor einige ‚Quality of Life‘-Funktionen:
– Die Erstellung von LibreOffice Dokumenten über das Rechtsklick-Kontextmenü
– Automatisch gesetzte Starterlaubnis für ausführbare Dateien (z.B. über Steam installierte Spiele)
– Drag & Drop Funktionen aus einigen Standard-Applikationen heraus (z.B. Archivmanager)
– Minimierung der Applikationen durch Klick auf das entsprechende Symbol im Dock

Hin und wieder kommt es sogar vor, dass ich ohne Vorwarnung abgemeldet werde. Nett, dass es dieses vollautomatische ‚Feature‘ gibt, aber zuvor würde ich gerne erst noch meine Erlaubnis geben. Bei erneuter Anmeldung sind dann natürlich sämtliche Programme und Fenster geschlossen.

Fazit

Was bedeutet das also nun für mich, ist Ubuntu weiterhin nutzbar?
Wahrscheinlich, möglicherweise, vielleicht.
Durch die endlose Anzahl an Geschmacksrichtungen innerhalb der Linux-Welt ist die Umstiegshürde ohnehin nicht mehr allzu hoch gesetzt. Ein großer Vorteil von Ubuntu ist, wie eingangs schon erwähnt, die hohe Akzeptanz der großen Masse und die damit einhergehend hohe Verfügbarkeit an Software und Paketen. Diese Vorteile teilen sich allerdings genauso auch die Blutsverwandten wie z.B. Debian und Pop_OS.
Und doch bin ich einerseits Markentreu und andererseits habe ich gerne alles aus einer Hand (Desktop / Server). Erwähnenswert ist auch, dass sich Ubuntu in einigen Teilen auch mal teilweise positiv entwickelt hat oder in einigen Dingen das Ruder herumreissen konnte (Amazon-Launcher *hust*).
Was die Zukunft bringt ist Ungewiss, doch soll mich das nicht plagen, denn ich wollte hier lediglich ein wenig seelischen Ballast abwerfen. 🙂

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